Kanada - So stelle ich mir den Westen Kanadas vor
Erwartungen und Erkenntnisse
Türkis schimmernde Gebirgsseen, Schnee überzogene Berge, dunkelgrüne Nadelwälder – das ist typisch Kanada, so stelle ich mir den Westen Kanadas vor. Dabei frage ich mich jedoch auch, worin der Unterschied zu unserer heimatlichen Landschaft in den Alpen besteht. Muss man wirklich um die halbe Welt fliegen, wenn es hier genauso schön ist?
Am Ende meiner Reise bin ich mir sicher: Ja, es lohnt sich auf jeden Fall nach Kanada zu fliegen! Denn auch wenn die Landschaft vergleichbar sein mag, es gibt einen erheblichen Unterschied: In Kanada scheint die Intensität um ein Vielfaches gesteigert – die Berge sind größer, die Seen klarer, die Schneegipfel weißer, die Wälder grüner. Und dazu der ergreifende Panoramablick über eine scheinbar endlose Weite.
Bereits aus dem Flugzeug erhasche ich die ersten Blicke auf die gigantischen Gipfel der Rocky Mountains – eine enorme Gebirgskette, die sich von New Mexiko bis nach Kanada erstreckt. Inmitten dieses eindrucksvollen Gebirges, in Calgary, lande ich. Die Reise quer durch die Rockies bis nach Vancouver mit meiner Gruppe beginnt – in zwei Wochen wandern wir praktisch aus den Bergen bis an die Pazifikküste.
Spätestens als wir nach der ersten Nacht im Banff-Nationalpark bei -5 Grad den Tag beginnen, wissen wir es genau: ja wir sind in den Rocky Mountains gelandet. Anfang Oktober kann es in Kanada bereits empfindlich kalt werden. Für uns deutsche Frostbeulen ist das jedoch doch etwas zu früh: an der nächsten Tankstelle kaufen wir das vorhandene Sortiment an langen Unterhosen leer. Im „Partner-Outfit“ und mit warmen Füßen sind wir bestens ausgerüstet. Für mich habe ich gedanklich schon notiert: eine lange Funktionsunterwäsche muss mit auf die Ausrüstungsliste.
Einfach unfassbar schön
Durchaus abwechslungsreich gestalten sich unsere Wanderungen, aber eines haben sie alle gemeinsam: das gigantische Panorama belohnt unsere Anstrengungen bei jeder Tour. Nun gut, bei fast jeder.
Wir beginnen mit einem richtigen Highlight. Bei der Wanderung auf den Big Beehive genießen wir einen atemberaubende Aussicht auf den türkis schimmernden Lake Louise. Leider sind wir nicht alleine unterwegs, aber wem kann man das bei diesem Ausblick schon verübeln?
Bei der Wanderung zum Helen Lake im Jasper-Nationalpark dagegen lassen wir die Halbschuhtouristen hinter uns. Steil geht es bergauf, bis wir die Baumgrenze überwinden und unser Ziel erreichen. Die umliegenden Gletschergipfel spiegeln sich in dem glasklaren Bergsee, sodass man das Spiegelbild kaum von dem Original unterscheiden kann.
Entlang der Gletschergrenze mit Blick auf den Vice President Mountain, wandern wir auf dem Icefield Trail – bei diesem Panorama erscheinen uns 17 km wie 7 km.
Damit hatten wir nicht gerechnet
Ein Erlebnis ohne Panoramablick bietet uns die Wanderung Parker Ridge: schon nach ein paar Höhenmetern wird der Untergrund zunehmend weißer. Auf dem Pass ist der Nebel so dicht, dass wir die eigene Hand vor Augen nicht mehr sehen können. „Die Grödeln hatte ich noch in der Hand“, berichtet mir eine meiner Mitreisenden. Wer hätte auch gedacht, dass wir die benötigen? Wir wurden jedoch erneut eines Besseren belehrt und wissen nun, dass Schnee auf einer Höhe über 2.000 m in den Rockies Anfang Oktober durchaus möglich ist.
Die Wanderung zum Sheila Lake im Wells Gray Provincial Park müssen wir nach ca. 300 Höhenmetern leider abbrechen, da wir bis über die Knie im Schnee stecken. Was unten als Regen vom Himmel fällt, verwandelt sich weiter oben bereits in Schnee. Vancouver Island jedoch meint es dann wieder gut mit uns und beschert und noch ein paar schöne Sonnentage für unsere Wanderung über das Forbidden Plateau im Strathcona Provincial Park.
Zusammenfassend kann man auf jeden Fall sagen: Weicheier waren keine in der Gruppe, wir haben jedem Wetter getrotzt und wir erlebten sommerliche, herbstliche und sogar winterliche Wanderungen.
Tausche Wanderstiefel gegen Sitzplatz mit Aussicht
Nicht nur wandern ist in den Rocky Mountains schön, auch die Autofahrten sind reizvoll. Der erhebliche Vorteil dabei: das Auto hat eine Heizung und man bleibt trocken und warm.
Die Fahrt auf dem Icefield Parkway lässt keine Erwartungen unerfüllt: links und rechts von uns erheben sich die gigantischen Bergketten und wir sind eingerahmt von den schneebedeckten Gipfeln der Rockies. Hier und da ziehen raumgreifende Gletscherzungen, wie der Athabasca Glacier, aus dem Columbia Icefield heraus. Dann fahren wir durch lichte Kiefernwälder, zwischen denen orange, rot und braun schimmernde Laubbäume herausstechen. Endlos erscheint die Straße vor uns, die sich an dem glasklaren Gebirgsbach entlang schlängelt.
Lunch mit den Vögeln und Wohnen im Wald
Hervorragend sorgt unsere Reiseleiterin Ardelle für uns – stets bekommen wir mittags ein ausgewogenes und frisches Picknick mit Vollkornbrot (in Nordamerika nicht leicht zu finden!), Aufstrich, Salat und Obst. Das schmeckt auch dem Grey Jay. Bei unserem Mittagslunch wurden wir teils regelrecht attackiert von diesen einheimischen Vögeln. Ein Gefühl wie auf dem Marcus Platz in Venedig erschleicht uns mitten in der Natur.
Eine Besonderheit dieser Reise sind die Unterkünfte. Wir übernachten nicht in normalen Hotels, sondern in typisch kanadischen Chalets und Lodges mitten in der Natur. Fast beängstigend erscheint die Ruhe anfangs, doch sehr bald haben wir uns daran gewöhnt und genießen die Abgeschiedenheit in vollen Zügen.
Schnell sind die zwei Wochen in den Rocky Mountains vergangen. In der schönen Pazifikmetropole Vancouver findet die Reise einen runden Abschluss und wir packen die Wanderstiefel wieder ein. Wir sind uns einig: Alle die gerne in der Natur unterwegs sind, sollten sich den Westen Kanadas nicht entgehen lassen.